Kulturmanagement

Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig

Generaldirektor des Weltkulturerbe Völklinger Hütte 
Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
Meinrad.Grewenig@Museum21.net
www.Museum21.net
 
Vorlesungen: 15. Oktober 2011 - 8. Februar 2012
Vorlesungsfreie Zeit:  27. Dezember 2011 – 4. Januar 2012
 
Lehrveranstaltung Nr. 65976 | 2 SWS, Max. Teilnehmer 20,
Anmeldepflicht im LSF
Montags 17 h c.t.; mit einer Blockveranstaltung zu einem gesonderten Termin,
Gebäude C5 2, Seminarraum 5.19.
Vorbesprechung: Montag 15. Oktober 2012 17 h c.t.
 

 

Das Museum der Zukunft Dialog, Kommunikation, Soziale Netzwerke

 


Ende September 2012 titelt Die Zeit „Die Liebe meines Lebens – Niemand kennt uns so gut, niemanden berühren wir so oft: Pausenlos stehen wir in Kontakt mit unseren Smartphones.“ 
Damit wird eine neue Dimension an Annäherung von Welt, Gesellschaft und Menschen thematisiert. Das Smartphone und die Sehnsucht nach dem Smartphone als Interface des Internets markiert einen Höhepunkt in der explosionsartigen Entwicklung des Internets und seiner weltweiten Vernetzung. Auch die Museumsnutzung und das Museum wird sich im Windschatten dieser Sehnsucht tiefgreifend verändern. Die durch die Smartphones ermöglichte permanente Vernetzung in Gemeinschaften verändert unser Sozialverhalten und die Teilhabe an Information und Bildung. Bindung an Institutionen und Menschen wird neu definiert. Im Museum der Zukunft werden  Kommunikation, Dialog und Soziale Netzwerke eine herausragend Bedeutung und eine neue Stellung einnehmen, auch dann wenn es um  Austausch und Herstellung von Bindung zu dieser Institution geht oder gar auch um die Kreierung von Themen. Dies steht im Zentrum der Lehrveranstaltung.
 
Kulturmanagement ist eines der Schlüsselfelder des Museums des 21. Jahrhunderts. Es umfasst alle Steuerungen zur Erstellung und Sicherung von Leistungen in arbeitsteiligen Kulturvermittlungs-prozessen. Langfristig wirkt der/ie Kulturmanager/in strategisch an der Weiterentwicklung des Vorstellungsbildes von Museum und damit dem Kulturbegriff unserer Gesellschaft mit. Mittelfristig setzt er/sie durch seine/ihre taktischen Planungen und Setzungen Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Museums der Zukunft. Operativ spielt sich Kulturmanagement in einem hochkomplexen und sich ständig verändernden Umfeld ab. Planung, Führung und Controlling sind die Schlüsselfelder dieser Managementdisziplin. Dieses Kulturmanagement ereignet sich nicht nur alleine im ökonomischen Kontext, sondern auch unter Beachtung rechtlicher, administrativer, finanzieller und politischer Rahmenbedingungen.
Der/ie Kulturmanger/in muss offen sein für die neuen Entwicklungen in der Kommunikation und im Social Marketing. Der/ie Kulturmanager/in nimmt durch die Auswahl von Kulturproduktionen, Künstlern und Kunstwerken starken Einfluss auf die Kultur, die ihren Weg zum Adressaten und zum Publikum finden soll. Kulturmanagement ist nicht möglich ohne eine inhaltliche Bezugsdisziplin. Eine Mehrfachkompetenz des Kulturmanagers ist deshalb notwendig.
Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts verändert sich die Institution Museum. Am Beginn des 21. Jahrhunderts entsteht ein Prozess, in dem sich unterschiedlichen Gattungen des Museums annähern und sich vermischen. Technikmuseen stellen Kunst aus, Kunstmuseen widmen sich Fragestellungen der Geschichte. Die Museen nehmen inszenatorische Elemente des Theaters auf. Museen werden zu ScienceCentern. Industriekultur wird zum Signet des Museums des 21. Jahrhunderts. Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte – Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur begreift sich gar als „Museum nach dem Museum“. Die Völklinger Hütte ist Trendsetter einer Bewegung, die zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die kulturelle Identität eines Ortes vollständig uminterpretiert. 
Diese Entwicklung geht parallel mit einer Veränderung der thematischen Verankerung der Museen, die das Mark des traditionellen Museums verändert. Gliederten sich mit der Entstehung des modernen Museum im 19. Jahrhundert die Museen thematisch in große Museumsgattungen, wie: Kunstmuseum, Kulturmuseum, Technikmuseum, Ethnologisches Museum oder Historisches Museum. Diese Gliederung in Gattungen entspricht der Auffassung einer am universellen Wissenskosmos orientierten Universität mit ihren Fakultäten. Diese „modernen Museen“ verfolgten das Vervollständigen ihrer Sammlung und das Bewahren und Erforschen ihrer Bestände mit dem Ziel, dass das Einzelmuseum immer mehr dem Ziel einer Vollständigkeit zustrebte. Diese Vorstellung veränderte sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben die Sammlungsmuseen treten verstärkt Institutionen, die große Ausstellungen durchführen und den Anspruch erheben, selbst auf Zeit in der Ausstellung vollständige Sammlungen zu sein. Prominentestes Beispiel dafür ist die Documenta in Kassel. Die Vermittlung wird dabei zu einer weiteren Leitlinie des Museumsethos. Mit der Erstarkung des Internets verändert dieses auch die Vorstellung des Museums als physisch fassbare Sammlung. Am Ende des 20. Jahrhunderts wird das virtuelle Museum im Netz zu einer wichtigen Größe und verändert das Vorstellungsgefüge von Museum vollständig. Die fortschrittlichen Museen werden im 21. Jahrhundert zu Hybriden aus Sammlung, Ausstellungen und nehmen ScienceCenter Elemente (Hands-on) auf. Die Themensteuerung wird zu einer neuen Steuerungsdimension des Museums. 
Die Finanznot der öffentlichen Hand als Hauptfinanzgeber der Museen löst seit Ende des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Europa ein Umdenken in der bis dahin üblichen Finanzierungsstruktur der Museen aus. Wesentliche Impulse dazu kommen aus den USA. Die Ökonomisierung der Welt mit der Veränderung der kameralistischen Denkweise in der öffentlichen Verwaltung und ihrer Weiterentwicklung doppischer Steuerungsverfahren mit kaufmännischer Buchführung sind die Folge. Museen werden nun nicht mehr nur als Finanznehmer der öffentlichen Hand gedacht, sondern sie werden selbst zu Profitzentern umgebaut. Die Finanzsteuerung wird zu einer neuen Leitlinie des Museumsmanagements. 
Mit dieser Entwicklung geht eine Optimierung und rechtliche Verselbstständigung der Institution Museum einher. Aus Regiebetrieben und nachgeordneten Behörden werden Eigenbetriebe, Stiftungen und gGmbH´s mit eigenen Wirtschaftsplänen, eigenem Rechnungswesen und eigener Personalhoheit. Die Organisationssteuerung, die Frage nach der Betriebs- und Rechtsform des Museums und die Organisation der Apparate und Teams, wird zu einem bedeutenden Führungsinstrument. Kompetenzbündelungen, Verselbstständigung der Institutionen, Übernahme von Finanz- und Personalverantwortung führt zu einer neuen Denkweise im Museum, die den Museumswissenschaftler und Kurator zum Projektmanager und Kulturmanager werden lässt.
 
Museen wenden sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr nur an Fachkollegen oder interessierte Laien, sondern an alle „Alltagsmenschen“. Die Außenkommunikation und das Marketing werden zu einer neuen wichtigen Dimension der Museumsarbeit. Intelligente Kommunikationssteuerung wird zu einem bedeutenden Entwicklungsbeitrag für das Museum und hilft mit, dass die Museen sich zu Magneten einer neuen touristischen Mobilisierung entwickeln, wie aktuell das Centre Pompidou Metz in unserer Region. 
Parallel ändert sich der Bildungs- und Sensuchtshorizont der Menschen rapide. Die Gruppe der Bildungsbürger alten Schlages, Hauptnutzer der Museen in der 2. Hälfte de 20. Jahrhunderts, wird immer älter und steht nicht mehr im Zentrum der Ansprache der Museen. Für die Gruppe der jungen Menschen, permanent vernetzt über soziale Netzwerke, haben Museen eine andere, geringere Wertigkeit. Parallel präsentieren aufwendige Projekte wir das Google ART-Projekt Kunst und den Inhalt der Museen in unnachahmlicher Qualität im Internet. Die Fokussierung auf Kommunikation in der Setzung von Mobilisierungsimpulsen für das Museum zeitigt eine neue Extrovertiertheit der Museen. Die Lehrveranstaltung untersucht die Möglichkeiten einer Neupositionierung der Museen unter dieser Voraussetzung. 
 
Effektiv arbeitende Museen agieren im 21. Jahrhundert weitgehend selbstständig, steuern ihre Mitarbeiter und Finanzen hochprofessionel, werden zu touristischen Magneten und bedeutenden kulturwirtschaftlichen „Bringern“. Die in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts erstmals entstehenden Ansätze eines Kulturmanagements liefern dazu einen bedeutenden Beitrag.
Dass Museen heute im Zeitalter der weltweiten Internet-kommunikation und der Illusionsmaschinen einer 3-D Filmindustrie ihr Terrain festigen und ausbauen konnten, dass die Finanznot der öffentlichen Hand in großen Bereichen zu einer Stärkung des Museums führte, hängt damit zusammen, dass die Museumsmenschen die Aufgaben der Zeit erkannt und aktiv angepackt haben.     
 
Die Lehrveranstaltung nimmt „Das Museum der Zukunft – Dialog, Kommunikation, Soziale Netzwerke“  in den Blick. Diese werden beschrieben und auf ihre Stärken und Schwächen für das „Museum des 21. Jahrhunderts“ analysiert. Best Practice Beispiele vervollständigen das Bild. In Arbeitsgruppen (AG´s) wird untersucht, durch welche Maßnahmen Optimierungseffekte der bestehenden Systeme herbeigeführt werden können. In einer an der Praxis orientierten Diskussion werden die gewonnenen Ergebnisse vertieft. Kulturmanagement im Museum wird hierbei nicht nur als Fertigkeit begriffen, sondern als integrale Haltung.
 

Leitende Fragen sind:

1. Wozu ist Kulturmanagement im Museum des 21. Jahrhunderts notwendig?

2. Wodurch zeichnen sich erfolgreiche Museumsstrategien

   im 21. Jahrhundert aus?

3. Wie agiert der/ie gute Kulturmanager/in im Museum des 21. Jahrhunderts?

 

 

 

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